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Atemwegserkrankungen bei Pferden


Atemwegserkrankungen gehören mit zu den häufigsten inneren Erkrankungen bei Pferden. Haben Sie den Verdacht, dass Ihr Pferd an einer Atemwegserkrankung leidet, sollten Sie schnell handeln. Auf der nachfolgenden Seite können Sie sich einen Überblick zu verschiedenen Atemwegserkrankungen, ihren möglichen Ursachen und praxisrelevanten Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten schaffen.
 
 
Atemwegserkrankungen bei Pferden

In den letzten Jahren wurden viele Begriffe und Abkürzungen verwendet, um die verschiedenen, nicht infektiös bedingten Atemwegserkrankungen bei Pferden zu definieren, die zu den Leitsymptomen Husten und/oder Leistungsschwäche führen. Erst kürzlich schlug das American College of Veterinary Medicine vor, all diese verschiedenen Syndrome unter dem Begriff "Equine Asthma" zusammenzufassen. Bei Atemwegserkrankungen spricht man daher von zwei Gruppen:

 

Inflammatory Airway Disease (IAD)

Diese entzündliche Atemwegserkrankung wird hauptsächlich bei jungen Pferden beschrieben. Gelegentlicher Husten, oft ausschließlich während der Belastung. Sie ist häufig Ursache für suboptimale Leistung, insbesondere bei Pferden, von denen hohe Laufgeschwindigkeiten verlangt werden (z. B. Rennpferde). Diese Pferde können vollständig genesen, in der Regel mit entzündungshemmender Behandlung, gelegentlich ist auch eine Spontanheilung möglich. Als mögliche verantwortliche Ursachen werden immunvermittelte, allergische Prozesse und persistierende Virusinfektionen diskutiert.

 

Recurrent Airway Obstruction (RAO)

Die RAO ist definiert als Atemwegsobstruktion erwachsener Pferde, die sich bei Umgebungswechsel oder nach Gabe von Bronchodilatoren als reversibel erweist. Charakteristisch sind Schleimhautschwellung, Bronchospasmus, Dyskrinie (vermehrte Schleimbildung) und Dyspnoe (erschwerte Atmung). Im Gegensatz zur IAD haben Pferde mit einer unbehandelten RAO auch im Ruhezustand eine erhöhte Atemfrequenz und chronischen Husten. Außerdem zeigen sie oft Atembeschwerden in Form von einer verstärkten Abdominalatmung sowie eine verminderte Leistungsbereitschaft und -fähigkeit.

Innerhalb der RAO werden noch zwei zusätzliche Formen unterschieden. Dabei handelt es sich einerseits um die Stall-assoziierte Atemwegsobstruktion, die häufig bei aufgestallten Pferden, die schimmelpilzhaltigem Staub ausgesetzt sind, gesehen wird. Andererseits exisitiert außerdem die Sommerweide-assoziierte Form, die vorwiegend während des Weidegangs bei feuchtwarmem Sommerwetter auftritt.

Der Begriff COPD wird in diesem Zusammenhang nicht länger verwendet, da sich die Atemwegserkrankungen bei Pferden in vielen Aspekten von der humanen COPD unterscheiden.

 

Ursachen und Entstehung von Atemwegserkrankungen

Die Ursachen treten oft gemeinsam auf und bedingen sich gegenseitig. Das gesamte Immunsystem des Pferdes ist auf ein Leben in freier Natur ausgerichtet. Gerade im Winter reagieren unsere sensiblen Pferde durch die unnatürlichen Haltungsbedingungen in warmen, schlecht belüfteten und staubigen Ställen schnell mit Atemwegsproblemen. Haltungsmängel leisten unter Umständen Virusinfektionen Vorschub, diese wiederum erleichtern eine Empfindlichkeit des Pferdes gegenüber Staub und Pilzsporen. Daraus kann dann in der Folge eine chronische Erkrankung resultieren.

 

Leitsymptome
>  Husten

Bei Husten handelt es sich um ein Symptom, keine Erkrankung. Man unterscheidet zwischen einem produktiven, mit Auswurf verbundenen und einem trockenen, quälenden, meist schmerzhaften und unproduktiven Husten. Bei Atemwegserkrankungen muss Husten dennoch nicht zwingend vorhanden sein. Generell gilt, je akuter die Erkrankung, desto heftiger der Husten und je länger eine Reizung besteht, desto flacher und seltener wird er.

Man spricht bei Husten auch von einem Selbstreinigungsmechanismus, der nicht unterdrückt werden sollte.

>  Dyspnoe (erschwerte Atmung)

Neben dem Husten ist eine erschwerte Atmung das wichtigste Zeichen für einen erschwerten Gasaustausch. Äußerlich sichtbar ist die erhöhte Arbeit der an der Atmung beteiligten Muskulatur. Charakteristisch ist das Weitstellen der Nüstern und/oder stärkere Bewegungen des Thorax oder Abdomens während der Ein- und Ausatmung.

>  Nasenausfluss

Jeder plötzlich auftretende Nasenausfluss ist ein Alarmsignal. Der Ausfluss kann - je nach Ursache - einseitig oder beidseitig auftreten und unterschiedlich beschaffen sein. Er kann beispielsweise schwach oder sehr stark, wässrig und eher klar, schleimig weiß bis gelblich oder eitrig sein. Außerdem kann er auch unangenehm bis übelriechend und/oder mit Blut gemischt sein. Generell gilt: Einseitiger Nasenausfluss spricht für eine Erkrankung der oberen Atemwege, wohingegen beidseitiger Nasenausfluss häufiger bei Erkrankungen der tiefen Atemwege zu beobachten ist. Virale Infekte rufen anfangs typischerweise einen profusen, serösen (wässrigen) Nasenausfluss hervor; wird er innerhalb von Stunden bis Tagen mukopurulent (schleimig bis eitrig), ist an eine Beteiligung durch Bakterien zu denken. Nekotrische Prozesse (z. B. Zahnfachentzündungen) sind häufig von übelriechendem, purulenten Nasenausfluss begleitet.

>  Leistungsminderung

Leistungsdepressionen können vielfältige Ursachen haben. Relativ oft werden in diesem Zusammenhang Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege diagnostiziert. Erkrankungen des Herzens, der Muskulatur, der Leber, des Stoffwechsels und der endokrinen Organe, des Blutes und der blutbildenden Organe, usw. können differentialdiagnostisch auch in Frage kommen.

>  Fieber

Die physiologische Körpertemperatur eines Pferdes liegt zwischen 37,0 und 38,3 °C. Manche Atemwegserkrankungen oder Atemwegsinfektionen sind durch Fieber begleitet. In der Regel tritt Fieber bei bakteriell bedingten, infektiösen Atemwegserkrankungen auf, während es bei allergischen, nicht infektiösen Erkrankungen ausbleibt.

Fieber kann aber auch in Zusammenhang mit jeglichen anderen Erkrankungen auftreten. In diesem Fall sollten Sie immer schnellstmöglich Ihren Tierarzt konsultieren. Auch beim Auftreten der anderen Symptome ist eine schnellstmögliche Kontaktaufnahme zu Ihrem Tierarzt in jedem Fall ratsam.

 

Diagnose von Atemwegserkrankungen

An erster Stelle steht immer eine ausführliche Anamnese (Befragung des Pferdebesitzers zu Haltungsbedingungen und Fütterung des Pferdes) sowie die klinische Untersuchung. Weiterführende Untersuchungen, insbesondere die Endoskopie, sind meist unumgänglich, um Erkrankungen des Respirationstraktes exakt zu diagnostizieren.

>  Klinische Untersuchung

Vor den klinischen Untersuchungen des Respirationstrakts sind besonders die Zählung der Atemfrequenz, die Lungenauskultation (Abhören) sowie die Perkussion (Abklopfen) von grundlegender Bedeutung.

An dieser Stelle erwähnenswert ist, dass eine Lungenauskultation in der Ruhe durchaus physiologische Befunde ergeben kann, obwohl ein großer Teil der kleinen Atemwege bzw. Alveolen erkrankt ist. Eine Auskultation sollte deshalb auch immer nach Stimulation der Atmung (Atemhemmprobe) oder nach körperlicher Belastung erfolgen.

>  Tracheobronchoskopie (Lungenspiegelung)

Die Endoskopie ermöglicht nicht nur die visuelle Betrachtung der luftleitenden Strukturen bis hin zu den Hauptbronchien, sondern auch die Entnahme von Sekretproben und Bioptaten unter Sichtkontrolle.


Die Endoskopie kann routinemäβig am stehenden, sedierten Pferd im Stall oder in der Klinik erfolgen. Verwendet wird ein flexibles Endoskop mit einer Arbeitslänge von mindestens 150 cm, einem äußeren Durchmesser von 8-14 mm und einer dazugehörigen Lichtquelle. Das Endoskop wird über den ventralen Nasengang eingeführt und über den Rachenraum in die Luftröhre vorgeschoben. Beurteilt wird unter anderem die Schleimhautschwellung, Sekretmenge und -viskosität. Zur Probenentnahme wird ein steriler Katheter durch den Instrumentierkanal des Endoskops geschoben und die Aspiration des Tracheobronchialsekrets (TBS) erfolgt mit einer sterilen Spritze.


Das Tracheobronchialsekret (TBS) entsteht durch den Zusammenfluss von Sekreten und Exkreten aus allen Lungenabschnitten, sowohl aus dem Bronchialbaum als auch dem Alveolärbereich.


Mittels Bronchoalveolärer Lavage (BAL) lässt sich, stark verdünnt, Material aus den ansonsten diagnostisch kaum zugänglichen Bronchioli und Alveolen gewinnen. Eine isotonische Spülflüssigkeit wird instilliert und anschließend wieder aspiriert.


Die entnommenen Proben werden im Labor mikrobiologisch und zytologisch untersucht und sind somit unabdingbar für die Sicherung resp. den Ausschluss von Infektionskrankheiten und spielen insbesondere bei der Beurteilung chronischer Lungenerkrankungen eine wichtige Rolle. 

>  Arterielle Blutgasanalyse (BGA)

Zur Beurteilung der Lungenfunktion mittels Blutgasanalyse ist die Gewinnung von arteriellem Blut notwendig. Dazu punktiert man die Arteria carotis communis dextra am Übergang der Vorderbrust in den Hals. Bestimmt wird der Partialdruck von Sauerstoff und Kohlendioxid im Blut. Störungen des alveolären Gasaustausches manifestieren sich zunächst in einem Abfall des arteriellen Sauerstoffpartialdruckes (Hypoxämie). Erst mit schwerwiegenden Störungen der Lungenfunktion kommt es zusätzlich zu einem Anstieg des arteriellen Kohlendioxidpartialdruckes (Hyperkapnie). 

>  Röntgen und Ultraschalluntersuchungen

Röntgenaufnahmen von Thorax und Lunge können hilfreich bei schwer diagnostizierbaren Lungenerkrankungen sein. Anatomisch-pathologische Veränderungen (z. B. Umfangsvermehrungen, Pleuraerguss, usw.), die das lufthaltige Lungengewebe durch dichtere Strukturen ersetzen, verursachen eine vermehrte Strahlenabsorption und werden dadurch erkennbar.

 
Die Thoraxsonographie beschränkt sich unter physiologischen Bedingungen auf die Untersuchung des Herzens und der Pleura; das Lungengewebe an sich kann nicht weiter beurteilt werden. Die ultraschallgezielte Punktion des Thorax stellt ein wertvolles, ergänzendes diagnostisches Verfahren dar.

>  Allergietests

Am sinnvollsten ist der funktionelle in vitro Test (FIT). Der Test beruht auf dem Nachweis Allergen-spezifischer Antikörper, die an die basophilen Zellen im Blut gebunden sind. Erfasst wird die Reaktion von Zellen, die eine Typ I Allergie auslösen können. Hierbei werden explizit keine frei löslichen Antikörper gemessen. Allerdings wird häufig eine Reaktion auf eine Vielzahl von Allergenen festgestellt, deren Vermeidung häufig nicht möglich ist. Für die Interpretation der Ergebnisse und eine angepasste Therapie ist deshalb die Beurteilung, auch in Zusammenhang mit der klinischen Symptomatik, durch einen Tierarzt unumgänglich.

 

ACHTUNG! Die Angaben auf unserer Seite sind keinesfalls ausreichend für eine Selbstdiagnose. Zur Diagnose sowie vor Behandlungsbeginn ist auf jeden Fall mit einem Tierarzt Rücksprache zu halten.

 

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